Wie ich mir ein Auto kaufen wollte

von Daniel Bettac

Eines Tages war es dann soweit: Mein langjähriger treuer Begleiter spuckte morgens noch einmal und rührte sich dann nicht mehr. Natürlich dachte ich an sofortige Hilfe, schließlich betreibt ein Bekannter von mir einen gutgehenden Autohandel mit eigenem Reparaturservice. Doch ein kurzer Blick unter die Motorhaube, und schon meinte er:
"Hier hilft nichts mehr. Die Reparatur lohnt sich nicht mehr, da kannst Du besser ein neues kaufen."
Nun, ich bin kein armer Mensch und ich sehe auch ein, dass alle Dinge irgendwann den Weg alles irdischen gehen müssen, also willigte ich ein. Sollte ich ihm einen Neuwagen abkaufen, so versprach mein Bekannter mir sogar, dann würde er den alten in allen Ehren (und für mich kostenlos) zur ewigen Ruhe befördern.
Da stand ich also, zwischen all dem nagelneuen, blitzenden Chrom, Stahl und Aluminim. Von den Sitzen stieg der Duft nach frischem Leder auf, eine dicke Schicht Wachs bedeckte jeden Wagen und ich fand nicht einen Krümel Zigarettenasche auf den Fussmatten. Ich muss gestehen, dass ich die Trauer um meinen alten Begleiter umgehend vergass, und mich mit Freuden auf die Suche nach einem neuen Freund machte.
Schon bald zog ich immer engere Kreise um einen wunderschönen schwarzen BMV 13g. Wie er da stand, ein echtes Kraftpaket, so, als ob er jederzeit bereit zum lossprinten wäre.
"Eine gute Wahl", meinte mein Bekannter. "Das ist das Auto für einen wahren König. Hubraum, PS, Spitzengeschwindigkeit,..." Die Lobpreisungen nahmen kein Ende. Doch all diese Worte waren überflüssig, längst schon hatte ich mein Herz verloren. Selbst beim Preis handelte ich kein bisschen, zahlte mit einem Schulterzucken die geforderte Summe sofort. Man kann sich denken, dass mein Bekannter sich auch für mich freute, ja, sein Gesicht erstrahlte richtig vor Entzückung über mein neues Glück.
Ein halbes Jahr lang hatte ich ungetrübte Freude an meinem neuen Gefährten, bis ich dann in den Urlaub fahren wollte, nach dem sonnigen Frankreich.
Direkt an der Grenze fing der Motor an zu stottern und blieb dann stehen. Man wird sich mein Entsetzen vorstellen können, doch alles betteln und flehen half nichts, der Wagen sprang nicht mehr an. Glücklicherweise bin ich ein vorsichtiger Mensch, und meine HDHC Mitgliedschaft ersparte mir die Abschleppkosten. Der Mechaniker in der nächsten Werkstatt fand keinen Fehler, so lange er auch suchte, der Wagen sprang sofort an, auch bei mehrmaligen wiederholten Tests. Also fuhr ich frischen Mutes wieder los, in der festen Absicht, meine Urlaubsstimmung nicht von einem solchen Ereignis trüben zu lassen. Als ich wieder über die Grenze fuhr, passierte das gleiche wie beim vorherigen mal. Wieder lies sich der Motor zu keinem Ton bewegen, egal mit welchen Mitteln. Erneut musste ich abgeschleppt werden, und wieder fand der Mechaniker keinen Fehler. Der Wagen lief wie frisch vom Band.
Diesmal jedoch fuhr ich auf direktem Wege zurück zu meinem Bekannten. Schließlich hatte ich Garantie auf diesen Wagen, er sollte ihn einmal auf Herz und Nieren prüfen. Ich schilderte ihm die Situation. Erstaunt fragte er:
"Du hast versucht, nach Frankreich zu fahren?"
"Ja, klar, hab 1 Woche Paris gebucht und dann 2 Wochen am Meer..."
"Ja, aber doch nicht mit diesem Wagen, oder?"
"Natürlich mit diesem, einen anderen habe ich doch nicht."
Erleichtert lachte mein Bekannter auf.
"Ja, dann ist natürlich alles klar, der Wagen ist top in Ordnung."
"Wie bitte? Und diese merkwürdigen Aussetzer?"
"Na, das ist doch ein deutscher Wagen."
"Ja, darum wundere ich mich ja..."
"Deutsche Wagen", unterbrach er mich, "deutsche Wagen sind nur für deutsche Strassen lizenziert. Auf französischen Strassen können die nicht fahren."
"So ein Quatsch, woran soll so ein Wagen denn merken, auf welcher Strasse er fährt."
"Na, an der Landesmarkierung, die den Mittelstreifen eingearbeitet ist. Sie hier", er zeigte mit eine kleine Ausbuchtung links vorne unter der Stosstange, "das hier ist der Sensor, der registriert die Signale aus dem Mittelstreifen. Wenn du jetzt versuchst, in ein anderes Land zu fahren, wird automatisch die Bordelektronik abgeschaltet und der Motor bleibt stehen, so einfach ist das."
Ich war verblüfft.
"Ich dachte immer, wir leben in der EU und ich darf fahren, wohin ich will. Mein Führerschein gilt doch schließlich auch in Frankreich."
"Ja, fahren darfst Du, nur nicht mit diesem Wagen, der ist nur in Deutschland lizensiert. Du könntest Dir z.B. einen französischen Wagen kaufen..."
"Und mit dem kann ich dann fahren, wohin ich will?"
"Na ja, innerhalb Frankreichs ja. Nur nicht hinaus..."
"Aber was soll ich mit einem Wagen, der nur in Frankreich fährt. Ich will doch schliesslich nur meinen Urlaub dort verbringen."
"Na ja, da gibt es noch eine Möglichkeit. Siehst du diesen Schalter hier?" Er zeigte auf einen unscheinbaren Knopf, seitlich unter dem Autoradio. "Damit kannst du, wenn du in ein anderes Land fährst, die Landesmarkierung deines Wagens auf die dortige umstellen. Damit kannst du problemlos die Landesgrenze überqueren."
"Warum dann diese Schikane? Wenn ich doch nur bei jeder Grenzüberquerung den Knopf betätigen muss?"
"Na ja, einen kleinen Haken hat die Sache. Das funktioniert insgesamt nur drei mal."
"Wie bitte? Nur drei mal? Das heißt also, ich fahre jetzt nach Frankreich – ein mal – komme wieder zurück – zwei mal ?"
"Ja, genau." Ein freudiges Lächeln trat auf sein Gesicht. "So könntest du deinen Urlaub genießen und hättest sogar noch eine Änderung übrig."
"Aber was ist, wenn ich dann im September auf die Konferenz in Holland muss?"
"Na ja, dann benutzt du die dritte Änderung..." Schlagartig verstummte mein Bekannter. Scheinbar war ihm auch aufgegangen, was er soeben gesagt hatte. Einen kurzen Augenblick schwiegen wir beide, er wohl vor Scham, ich, um meine aufkeimende Wut zu unterdrücken.
"Und", so fragte ich ihn bewusst leise, "wie komme ich dann wieder zurück?"
Eine längere Pause entstand. Er konnte mir darauf keine Antwort geben.
"Und wenn wir den Sensor einfach abkleben?" fragte ich hoffnungsvoll.
"Keine Chance, wenn der Sensor keine Daten mehr empfängt, schaltet er auch ab."
"Und wenn du ihn jetzt ausbaust?"
"Geht auch nicht. Er ist zentrales Bestandteil der Motorelektronik. Nimmt man ihn heraus, funktioniert gar nichts mehr.
"Gibt es wirklich keine Möglichkeit?"
"Nein."
"Und wenn ich ein anderes Auto nehme? Eines ohne solch einen Sensor?"
"So etwas gibt es nicht mehr. Alle neuen Wagen werden ab Werk mit solchen Sensoren ausgestattet. Aus Lizenzgründen, du verstehst..."
"Aber ein Gebrauchtwagen? Ja, Du könntest mir einen Gebrauchtwagen verkaufen, einen, der noch keinen Sensor hat."
"Tut mir leid, seit Anfang letzten Jahres dürfen keine Autos mehr ohne solche Sensoren verkauft werden. Lizenzgründe..."
"Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben..."
Mein Bekannter schaute sich vorsichtig um.
"Na ja, es gab da mal ein paar Bastler, die haben eine Schaltung entwickelt, die den Sensor überbrückt hat. Aber da haben die Autohersteller sofort geklagt, es gab eine ziemliche Aufregung..."
"Und? Ich werde doch wohl eine kleine Veränderung an meinem Wagen vornehmen dürfen. Ist das denn sehr kompliziert?"
"Nein, eigentlich nicht, man muss nur mit einen 100kΩ Widerstand diese beiden Kontakte überbrücken."
"Und was ist das Problem? Warum tun das nicht alle?"
"Na, das ist genau die Methode, mit der der Sensor normalerweise alles freischaltet, wenn er die richtige Landesmarkierung empfängt. Und das haben sich die Entwickler patentieren lassen."
"Wie bitte, das Überbrücken mit einem Widerstand ist patentiert worden?"
"Siehst du, und darum durften diese Bastler die Methode nicht verbreiten. Und auch sonst niemand darf das, außer der die Hersteller des Sensors selbst. Eine quasi todsichere Methode."

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Manch einer wird jetzt denken: So ein Müll, wer stellt denn Autos her, die nur in bestimmten Ländern fahren.
Das ist schon richtig, die Geschichte ist zu weit hergeholt, als dass ich glauben könnte, das sie jemals wahr wird. Und doch geschieht sie jeden Tag. Nicht mit Autos, klar. Aber mit Videos, DVDs, Computerspielen und Musik ist das mittlerweile eine alltägliche Situation. Eine DVD, die ich mir in Amerika kaufe, kann ich auf einem europäischen Player nicht ohne weiteres abspielen, zumindest meistens nicht, ohne den Player so zu modifizieren, dass meine Garantieansprüche darauf verloren gehen. Ein japanisches Playstation-Spiel funktioniert nicht auf einer europäischen Playstation. Ich kann von einem Video keine Kopie machen, weil der Macrovisions-Schutz das verhindert - obwohl ich beim Kauf des Videorekorders UND der Leerkassette jeweils eine Gebühr dafür bezahle, dass ich das Video dann im privaten Rahmen kopieren darf. Internetprovider sollen schon bald gezwungen werden, MP3-Musikstücke generell zum Download zu sperren - obwohl der Download von MP3-Musik (zumindest in Deutschland) völlig legal ist und obwohl es genug Leute im Internet gibt, die selbstaufgenommene Musik auf diesem Wege kostenlos verbreiten wollen. Auf Festplatten und andere Datenträger soll pauschal eine Kopiergebühr erhoben werden, obwohl der weitaus größte Teil dieser Geräte niemals mit irgendwelchem urheberrechtlich geschützten Material in Berührung kommt.
Warum? Aus lizenzrechtlichen Gründen? Um Raubkopien unmöglich zu machen?
Alles Quatsch. Es geschieht nur, damit einige Firmen nochmal so richtig abschöpfen können. Erst zahlen wir für die Ware, dann für das Recht darauf, uns eine Kopie für den privaten Gebrauch anzufertigen. Und ganz zum Schluss stellen wir fest, dass wir zwar für das alles zahlen, dann aber durch geschickte, meines Erachtens nach illegale Manipulation des Marktes die technischen Möglichkeiten, diese Kopien auch anzufertigen nicht mehr verfügbar sind. Dann zahlen wir nochmal, um mehr oder weniger legale Technik zu erwerben, die den Kopierschutz wieder knackt. Seit längerem schon dürfen z.B. keine DVD-Laufwerke oder Player ohne Regionalcode mehr ausgeliefert werden. Die grossen Hersteller haben sich dazu untereinander abgesprochen, diejenigen der kleineren, die sich nicht daran halten wollen, werden mit Klagen überhäuft. Und einige junge Programmierer, die eine Methode zum umgehen des Leseschutzes von DVDs veröffentlichten, wurden vor Gericht gezerrt...